Das ist nicht mein Mann Sagt sie sich immer wieder während sie im Zug alle anstarren Es ist kurz vor acht Oma hat die Kleinen in die Kita gebracht Nächster Halt: Hauptbahnhof Sie schaut dem ICE noch hinterher und schleppt sich die Treppe hoch Jede Stufe schmerzt Blätter wehen in die Eingangshalle, es wird langsam Herbst Jetzt sind es sieben Jahre und jeden Morgen Stellt sie sich die gleiche Frage: "Warum?" Warum bin ich noch hier? Er sagte: "Wenn du gehst wird etwas Schlimmes passieren" Zum Büro noch hundert Meter zu Fuß Sie hat Angst, weil sie dort ihre Sonnenbrille abnehmen muss "Ich bin nur ausgerutscht", Sagt sie der Kollegin und versteckt sich hinter ihrem Schreibtisch Doch in ihrem Gesicht ein Blick, der Bände spricht Zuhause ist da, wo du mich nicht erreichst Die Gedanken sind frei und frei ist mein Geist Zuhause ist da, da wo du nicht bist Mein Körper ist mein Ich gehöre dir Nicht (...) Ich gehöre dir nicht (...) Das ist nicht mein Mann Immer wieder wiederholt sie diese Zeile und Schmiedet den Plan in die Freiheit zu fliehen Ganz egal wohin, hauptsache weg von ihm Das Büro macht schon um drei Uhr schluss Ein letztes Mal verlässt sie das Gebäude und tut was sie tun muss Holt den Sohn aus der Kita Noch einmal in die Wohnung, noch ein Mal und dann nie wieder Nie wieder diese Schmerzen spüren Nie wieder will sie hier ihren Stolz verlieren Sie macht noch schnell etwas zu essen warm Sitzt mit ihrem Jungen noch kurz an Dem Tisch und nimmt ihn dann auf den Arm Jetzt nur noch das Nötigste packen Kinderfotos, Geld, Papiere und zwei warme Jacken Die Wohnungstür fällt ins Schloss Im Treppenhaus hört sie ein paar Schritte aus dem Erdgeschoss Sie bricht auf dem Flur zusammen Er ist früher von der Arbeit gegangen Zuhause ist da, wo du mich nicht erreichst Die Gedanken sind frei und frei ist mein Geist Zuhause ist da, da wo du nicht bist Mein Körper ist mein Ich gehöre dir Ich gehöre dir Nicht Jetzt sind es wieder sechs Monate seit dem letzten Fluchtversuch Und in dieser Zeit wird ihr immer klarer Nur die Fluch ist nicht genug Auch wenn er sie vermutlich nie findet Da bleibt doch ewig dieses Angstgefühl Also trifft sie die Entscheidung, Dass sie für immer ohne Furcht leben will Ganz abgeklärt und kühl Und wie an jedem Samstagabend Liegt er vollgesoffen auf der Couch Sie verriegelt alle Fenster und dreht den Gashahn auf Dann verlassen sie die Wohnung Sie schaut nicht mehr zurück Am nächsten Morgen liest man in der Zeitung: ein tragisches Unglück Zuhause ist da, wo du mich nicht erreichst Die Gedanken sind frei und frei ist mein Geist Zuhause ist da, da wo du nicht bist Mein Körper ist mein Ich gehöre dir Ich gehöre dir Nicht