Die Steine meiner Stadt haben keine Augen oder Ohren Unterscheiden keine Tage oder Nacht Doch mit unser'n Leben, unser'n Kriegen Den Verlusten und den Siegen Unser'n schwindenden Familien, schleifen wir sie ab Der Boden der Moschee spürt den Teppich und die Gläubigen Die Sonne wärmt die Platten vor dem Dom, die noch heute sind Wo man sie eins niederlegte, als in der Stadt noch Kutschen fuhren Bevor durch sie zwei Kriege fegten Sie werden liebkost von Herbstsonne und Nieselregen Speichern Anekdoten, die sie nie erzählen Die Mauern, in die Knastinsassen, Schwüre oder Hasstiraden Oder ihre Namen schreiben, fang' manchmal an fast zu atmen In Nächten wo der Mond glüht Es unmöglich ist zu unterscheiden zwischen Träumen und wachen Phasen Die Brücke überrollt von Autoscharen Während Menschen die keiner sieht, unter ihnen traumlos schlafen Wir fragen uns, ist da wer, oder sind wir nur alleine Irgendwann werden wir Fossilien, Spur der Steine Fels wird Sand, das Element bleibt nur pur im Kleinen Wir sehen zu und treiben auf der Spur der Steine Der eine Stein vom Mariannenplatz hat es am ersten Mai Hoch in eine Hand geschafft, die ihn dann mit ganzer Kraft Schleudert bis er an die blecherne Wand einer Wanne kracht Er zu Boden taumelt, neben schwarzen Stiefeln niedersteigt Bis man ihn wieder greift, wieder schmeisst Bis er endlich liegenbleibt Im Wiederschein von brennenden Reifen, noch ein Laster Wäscht mit Hochdruck Wasser über's Kopfsteinpflaster Wo sich die Steine aneinanderschmiegen Als Symbol für die Stadtbewohner, die mal auseinanderziehen Sich woanders neu zusammenfügen, in Ehen, WGen und Altersheimen Kinder werden geboren und die Greise sterben Während die Steine immer starr in ihrer Haltung bleiben Und nur widerwillig kleine Spuren von Alter zeigen Die Grabsteine warten mit den Toten auf die Ewigkeit Variabel in den Daten ihrer Lebenszeit Gleich in der Akustik, weil hier jeder schweigt Nebel steigt nicht höher als Büsche hier, der Zähler zeigt Andere Werte in der Körpergröße, Kontostand, Kinderanzahl Manche ungekleidet, in Seiden- oder Wintermantel Neben- und hintereinander in Kisten aus Fichten oder Buchen Während die Wurzeln der Bäume die toten Brüder suchen Sie sich vereinigen im steinigen Erdreich Bedeckt von Kies, den einst ein Meer vor sich hertreibt Vieles ist Unterschied, doch es bleibt mehr gleich Denn jeden den es hierhin hinunterzieht, wollte mehr Zeit Zähflüssiger Teer schweißt die Pflastersteine eben Wie Sägespäne Blut in der Manege eines Zirkuszeltes Bedecken sie nur Dramen und Probleme Auch aus härtesten Granitbrocken werden am Ende Wege Auf der Spur der Steine